Bavaria-Jubiläum: Wie das Logo laufen lernte

Das Jubiläumslogo der Bavaria Film zeichnet sich sowohl durch ikonografische Filmsymbole, historische Zitate als auch eine moderne Anmutung aus. Gunter Weis, Geschäftsführer Kreation der Münchner Designagentur Mattweis, hat das Logo entwickelt. Animiert hat es Jochen Hirschfeld, Director der Visual-Storytelling-Agentur Livingroom Pictures. Im Interview verraten die beiden, wie sie das 100-Jahre-Logo konzipiert und animiert haben.

Herr Weis, wie sind Sie bei der Entwicklung des 100-Jahre-Logos vorgegangen?

Weis: Wir waren uns von vornherein einig darüber, dass die Jubiläumszahl 100 der Star des Jubiläumslogos werden musste. Das bekannte Bavaria Film-Logo sollte eine starke „Supporting Role“ bekommen. Die Farbe Gold bot sich natürlich an, denn 100 Jahre sind schließlich ein goldenes Jubiläum. Besonders spannend fanden wir die Idee, die beiden Nullen der Hundert als sich überschneidende Scheinwerferkegel zu inszenieren – ein ikonographisches Symbol für die Filmbranche.

Natürlich erinnern die kreisrunden Nullen auch an Filmrollen, ein weiteres ikonographisches Zitat. Trotz der historischen Zitate war es uns wichtig, dem Jubiläumslogo eine moderne Anmutung zu geben, die den Innovationsanspruch der Bavaria Film unterstreicht. Wir wussten, dass das Logo auch in Bewegtbild übersetzbar sein muss. Da bot es sich geradezu an, dass Logo so zu konzipieren, dass es in einzelne Grundelemente zerlegbar ist, und vielschichtige Assoziationen zulässt. Jochen Hirschfeld hat dann den Ball perfekt aufgenommen.

Herr Hirschfeld, was war Ihre spontane Reaktion als Sie das Logo gesehen haben?

Hirschfeld: Das Logo von Mattweis hat mich sofort begeistert, weil es in seiner Botschaft so klar ist und im gleichen Augenblick eine Tür für hundert Assoziationen aufgestoßen hat. Gute Ideen und gute Geschichten haben diese Fähigkeit, beim Zuhörer so viel in Gang zu setzen. Ich sah in den geometrischen Grundformen – Strich, Quadrat, Kreis und Ellipse – viele schöne Analogien zum Thema Film … nämlich als Filmstreifen, Perforationslöcher, Filmrollen, Scheinwerfer, optische Linsen und Rampenlicht.

Sie haben sich den amerikanischen Motion Designer Jesse James Jr. an die Seite geholt. Warum ihn?

Hirschfeld: Jesse war für mich die logische Konsequenz, um das Thema in seiner Größe richtig in Szene zu setzen. Er hat viele Jahre bei der Vorspann-Schmiede von Kyle Cooper gearbeitet, der seinen Durchbruch mit den legendären Titeln für David Finchers Film „Seven“ hatte. Mit seiner Firma Prologue Films ist Cooper in Hollywood für die Titelsequenzen von unzähligen Blockbustern wie „Spider Man“ bekannt. Jesse ist ein cooler Typ und Freund, mit dem ich schon einige Projekte umgesetzt habe. Und dieses hier war perfekt für eine neue Zusammenarbeit.

Hatten Sie beide unmittelbar einen Clip im Kopf als Sie das Logo gesehen haben?

Hirschfeld: Ausgehend von den ersten Bildern, die das Logo ausgelöst hat, sind wir das Thema „One Hundred Years In Motion“ erstmal frei angegangen und haben ganz handwerklich mit den Formen gespielt. Wir haben das Ganze auf Papier ausgedruckt, zerschnitten, also erstmal dekonstruiert, um zu sehen, wie man mit den Elementen arbeiten kann. Ich liebe diesen Mix aus analogem und digitalem Prozess. Kreative Ergebnisse brauchen erstmal diese offene Chaosphase. Es wurde dann auch noch wilder und wir haben Gummistempel von den ganzen Formen hergestellt, mit denen wir dann sehr roughe Stopptrick-Experimente gemacht haben.

Und aus der Chaosphase ist dann eine erste Idee entstanden?

Hirschfeld: Die Stopptrick-Experimente haben mich an die Arbeiten des Meisters aller Titelsequenzen erinnert: Saul Bass. Plötzlich entstand die Idee: Lass uns doch „One Hundred Years In Motion“ über die Geschichte des Title-Designs im Kino erzählen. Also vom simplen weißen Text auf schwarzer Tafel des frühen Stummfilms bis zu futuristischen 3D-Animationen der Gegenwart. Der Wandel des Geschichtenerzählens visualisiert über die Evolution seiner formellen Mittel. Unsere ersten Layoutanimationen dazu haben aber bald gezeigt, dass der Ansatz mit der „Historie des Titeldesigns“ zu viel Erzählzeit für eine Logoanimation gefordert hätte. Es wäre wohl mehr ein Kurzfilm geworden. Aber wir hatten in der Kreativphase genug Ideen gesammelt und haben nach und nach das Konzept auf zwei parallel funktionierende und emotional schnell verständliche Stränge reduziert.

Ansicht
Gunther Weis

Gunther Weis ist Geschäftsführer Kreation der Münchner Designagentur "mattweis".

© privat / Gunther Weis

© privat / Gunther Weis

Das bedeutet?

Hirschfeld: Die Logoanimation transportiert mit einfachen Mitteln den unvergänglichen Zauber des Geschichtenerzählens: von der Idee als geschriebenes Wort zum großen Erlebnis auf der Leinwand. Parallel bewegen wir uns durch die Zeit und beginnen gefühlt, durch die nostalgische Ästhetik der Schreibmaschine zu Beginn des Clips, in den Anfängen des Kinos und reisen dann durch die Epochen über eine Art Zeittunnel in die Gegenwart und Zukunft. Auf dem Weg begleiten uns die geometrischen Formen, die uns bei der Dekonstruktion des Logos begegnet sind. Alles mündet gemeinsam in der feierlichen Vereinigung des Logos. One Hundred Years In Motion! Die jeweiligen Entwicklungsstufen der Animation haben wir immer wieder in Layouts präsentiert und zusammen mit dem Team der Bavaria Film verfeinert.

 

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Jochen Hirschfeld

Jochen Hirschfeld ist Director der Visual-Storytelling-Agentur Living Room Pictures.

© privat / Jochen Hirschfeld

© privat / Jochen Hirschfeld

Sie können bereits eine Vielzahl beeindruckender Arbeiten vorweisen. Welchen Stellenwert genießt die Jubiläumslogo-Animation der Bavaria?

Hirschfeld: Dieses Projekt ist sicherlich eines unserer Highlights des vergangenen Jahres, da es diese seltene Qualität von offener Kreativität und positiver Zusammenarbeit hatte. Die Unterstützung und das Vertrauen der Bavaria Film hat uns sehr begeistert und ein sehr kreatives Arbeiten möglich gemacht. Die Logoanimation ist emotional und feierlich geworden, hat die nötige Souveränität, aber auch Vielschichtigkeit, die Interpretationsspielraum lässt. Uns hat das Projekt sehr viel Freude gemacht. Vielen Dank.

Herr Weis, Herr Hirschfeld, herzlichen Dank für das Gespräch.

 

 

Das Gespräch führte Sebastian Feuß.

 

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