"Das Land ist zerrissener denn je"
Die USA stehen vor einer entscheidenden Wahl: Wird Donald Trump erneut ins Weiße Haus einziehen? Die Doku "Trump - Der wütende Kandidat" beleuchtet die Chancen des 77-Jährigen, blickt auf mögliche Folgen und porträtiert die Anhänger des Kandidaten. Story House-Productions Produzent Carsten Oblaender berichtet im Interview über die Arbeit mit Trump -"Superfans" und seine Einschätzung zur Zukunft der USA.
Herr Oblaender, Ihr Film soll vor den Gefahren warnen, die damit einhergehen, sollte Trump wieder Präsident werden. Wie haben Sie versucht, diese Botschaft objektiv, ohne Parteinahme, zu vermitteln?
Ich finde es immer wichtig, Menschen auf Augenhöhe zu begegnen, zu versuchen zu verstehen, was ihre Bewegründe sind, ohne zu kommentieren. In diesem Sinne kommen im Film ganz gewöhnliche Bürger mit ihren Erwartungen an eine zweite Amtszeit von Trump zu Wort und zum anderen auch Entscheider und Berater aus dem Umfeld des Ex-Präsidenten, die uns ein Bild der Agenda für eine zweite Amtszeit vermitteln. Das muss man gar nicht mehr groß kommentieren. Natürlich haben wir auch einordnende Statements von Experten, aber ich möchte es im Wesentlichen dem Zuschauer überlassen, sich seine eigene Meinung zu bilden. Das gesagt, auch wenn Trump nicht gewählt wird, steht das Land vor einer Zerreißprobe und sind die Gefahren groß, denn ein bedeutender Teil der Bevölkerung würde das Ergebnis der Wahl wohl nicht anerkennen und ist auch gewaltbereit.
In Ihrem Film blicken Sie zusammen mit Alexander Landsberger tief in die Lebensrealität von Trump-Anhängern wie Sharon und Mike. Wie haben Sie die beiden gefunden?
Das war leicht. Die beiden sind sozusagen "Superfans" und waren schon vorher in der Presse. Sie gehören einer Gruppe an, die sich "Front Row Joes" nennen, die sogar ihr eigenes Jersey haben und an fast jeder Trump Rally teilnehmen, das sorgt für Aufsehen.
Was war für Sie persönlich die größte Herausforderung bei der Darstellung dieser Trump-Fans?
Das werde ich immer wieder gefragt. Ich habe es nicht als Herausforderung empfunden. Wenn man sich einfach für Menschen und ihre Beweggründe interessiert, die eigene Haltung hintenanstellt, ohne sie allerdings zu verbergen, dann fällt es leicht, mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Ich konnte die beiden schnell davon überzeugen, dass wir sie nicht zu Karikaturen abstempeln wollen.
Inwieweit gab es neue Entwicklungen bezüglich Trumps Anhängerschaft und die gesellschaftliche Spaltung?
Wir haben für dieses Projekt mit Wissenschaftlern der Universität Chicago zusammengearbeitet, die sich mit den Teilnehmern am Sturm auf das Kapitol beschäftigen und die Radikalisierung der amerikanischen Gesellschaft insgesamt untersuchen. Und die erschütternde Erkenntnis ist, dass die Radikalisierung und Gewaltbereitschaft inzwischen in der Mitte der amerikanischen Gesellschaft angekommen ist. 17 Millionen erwachsene US-Bürger akzeptieren die Anwendung von Gewalt zur Wiedereinsetzung von Trump ins Amt, noch größer ist übrigens die Gruppe derer, die Gewalt akzeptieren würden, um Trump im Amt zu verhindern, 25 Millionen. Wir sprechen hier nicht von rechten oder linken Extremisten, das sind in großer Zahl ganz normale Bürger wie du und ich.
Sie leben selbst in den USA. Mit welchen Gefühlen blicken Sie in die Zukunft des Landes?
Nervös! Das Land ist zerrissener denn je, wie vielleicht seit dem Bürgerkrieg nicht mehr. Und tatsächlich glauben über 50 Prozent der republikanischen Anhänger, dass das Land auf einen Bürgerkrieg zusteuert. Auf Seiten der demokratischen Anhänger sind es 40 Prozent. Nun, glaube ich nicht, dass es so weit kommen wird, aber allein, dass die Menschen dies fürchten, das ist schlimm genug. Hinzu kommt, viele Menschen haben ihren Optimismus verloren, sie glauben nicht mehr daran, dass es ihnen oder ihren Kindern einmal besser gehen wird. Der Glaube an den "American Dream", mit harter Arbeit weiterzukommen, dieser Optimismus geht gerade verloren und das ist brandgefährlich, wenn man dann Demagogen wie Trump hat, die diesen Unmut noch entfachen.
Lieber Herr Oblaender, vielen Dank für das Interview.
Interview: Leonie Hohlfeldt
"Trump – der wütende Kandidat" ist eine Produktion von Storyhouse Productions. Die Regie übernehmen Carsten Oblaender und Alexander Landsberger. Die Doku ist in der ZDF Mediathek abrufbar.
Carsten Oblaender ist Filmproduzent, CEO und General Manager bei Story House Productions. Er ist insbesondere bekannt für seine Arbeit an "National Geographic Explorer", "Holy War, Inc." und "Children of the Sun". Zusammen mit Alexander Landsberger produzierte er nun "Trump – der wütende Kandidat".