"Auf das reale Leben reagieren"
"Reeperbahn privat!" und "Bella Italia", produziert von Story House, sind Quoten-Hits. Im Interview erklärt Executive Producer Arnd Benedikt Piechottka, was die Arbeit an Doku-Soaps so besonders macht.
Herr Piechottka, mit "Bella Italia" und "Reeperbahn privat!" war die Story House zuletzt insgesamt mehr als drei Monate jeweils wöchentlich in der Primetime von RTLzwei vertreten. Mit sehr großem Erfolg: Die Marktanteile lagen oft auf Augenhöhe mit RTL und ProSieben. Mit der letzten "Reeperbahn"-Folge wurde mit 8,3 Prozent ein Allzeit-Rekord aufgestellt und der RTLzwei-Senderschnitt von 4,8 Prozent deutlich getoppt. Da haben Sie sicher mal eine Flasche Sekt geöffnet, oder?
Wir freuen uns natürlich sehr darüber, dass beide Formate so erfolgreich sind. Damit dürfen wir auch ein bisschen zu dem Erfolg beitragen, den die Kollegen in Grünwald in diesem Jahr haben. Und es zeigt uns, dass sich Menschen vor allem für Menschen und deren Geschichten interessieren. Wir haben ganz klare Leitlinien dafür, wie wir unsere Doku-Soaps umsetzen. Diese sind viel mehr als Dabei-Reportagen, in der Protagonisten bei einer Handlung begleitet werden.
Sondern? Wie sieht das Erfolgsrezept aus?
Naja, so einfach wie Backen ist das dann doch wieder nicht. Aber neben starken Charakteren brauchen wir komplexe Geschichten, die sowohl eine vertikale als auch eine horizontale Dramaturgie über die gesamte Staffel erlauben. Und uns ist eine starke emotionale Metaebene und auch Brüche in den Charakteren wichtig. Für unsere Kollegen, die fiktional arbeiten, ist das sicher nichts Neues. In der Reality-Welt findet man das nicht so häufig auf dem Bildschirm.
Geht es mit beiden Produktionen weiter?
Sowohl "Reeperbahn privat!" als auch "Bella Italia" werden im nächsten und auch im übernächsten Jahr auf dem Bildschirm sein. Wir sind da auch sehr dankbar für das Vertrauen, welches Konstanze Beyer und Louisa Matsa von RTLzwei seit Jahren in unsere Arbeit haben. Das ermöglicht uns, das Leben unserer Protagonisten über einen langen Zeitraum zu dokumentieren. Bei der "Reeperbahn" begleiten wir manche Charaktere schon seit 2017, nahtlos ohne Produktionspause.
Doku-Soaps werden von Sendern und auch Streamern derzeit vermehrt nachgefragt. Sind neue Formate in Entwicklung oder Produktion, über die Sie schon etwas sagen können?
Ganz klar, das ist eine wichtige Säule für uns und wir haben gerade zwei spannende Stoffe in der Entwicklung. Hier führen wir gerade sehr intensive Gespräche. Es geht um einen besonders verschlossenen Mikrokosmos, mit dem wir auf kleiner Bühne große Weltpolitik erzählen wollen.
Entgegen vieler Vorurteile werden Doku-Soaps nicht mal eben aus dem Handgelenk geschüttelt. Wie lange arbeiten Sie an den Staffeln und wie gestaltet sich der gesamte Produktionsprozess?
An einer fünfteiligen "Reeperbahn"-Staffel arbeiten wir in der Regel etwas über ein Jahr, die Produktion über den Berliner Brennpunkt-Stadtteil Neukölln hat fast zwei Jahre gedauert. Das liegt daran, dass wir auf das reale Leben unserer Protagonisten reagieren. Es gibt schließlich kein Drehbuch, welches schnell abgearbeitet wird. Das Entscheidende bei diesem Genre ist eine doppelte Nähe: Zum einen hat unser Redaktionsteam eine ganz enge Beziehung zu unseren Protagonisten, zum anderen sind wir auch räumlich ganz nah dran – auch, wenn nicht gedreht wird. In Hamburg sitzt zum Beispiel Jana Richter, die das Format mit aus der Taufe gehoben hat. Sie kann immer auf spontane Entwicklungen reagieren.
Was sind die größten Herausforderungen bei der Produktion von Doku-Soaps?
Auf jeden Fall eine emotionale Bindung zu unseren Protagonisten aufzubauen. Obwohl ich die Bezeichnung "Protagonist" nicht so gern mag, weil sie so technisch klingt und auch nicht das widerspiegelt, was sie sind. Eigentlich sind sie Partner. Und diese Bindung entsteht nicht nur, weil es zum Handwerk gehört, sondern auch, weil es ein echtes Interesse an unseren Charakteren gibt. Und das hat unser großartiges Team, das in dieser Konstellation schon seit 2018 zusammenarbeitet, was auch ein wichtiger Erfolgsfaktor ist.
Danke für das Gespräch, Herr Piechottka!
Interview: Leonie Hohlfeldt