Turnaround mit Hafermilch

Seit 2013 nehmen die TV-Köche Sebastian Lege und Nelson Müller bei "ZDFbesseresser" Lebensmittel, Supermärkte und Gastronomieketten unter die Lupe. Was als klassisches lineares TV-Format begann, ist heute eine Multi-Plattform-Marke. Executive Producer Daniel Maiterth (Story House Productions) spricht über das Erfolgsrezept des Food-Formats und kündigt eine neue Show an, die exklusiv für die ZDF Mediathek produziert wird.

Herr Maiterth, der Ursprung von "Besseresser" liegt jetzt zehn Jahre zurück. Wie ging es los?

An den Start gegangen sind wir mit dem Food-Format “Wie gut ist?” mit Fernsehkoch Nelson Müller. Den Namen und die Marke “Besseresser” gab es 2013 noch nicht. “Wie gut ist?” lief damals ausschließlich im linearen Fernsehen im Rahmen der Doku-Reihe “ZDF Zeit”.  Es ging um Fragen wie: Wie gut ist unser Bier? Unser Brot? Unser Eis? Unsere Discounter? Außerdem haben wir Lebensmittel und Fastfood-Ketten in “Duellen” miteinander verglichen. Verantwortlich waren damals Autor Thomas Lischak und Produzent Jens Afflerbach, heute General Manager & CEP bei Story House Productions. Gemeinsam mit dem bis heute zuständigen ZDF-Redakteur Philipp Müller haben sie die Reihe entwickelt und zum Erfolgsprogramm gemacht. Ich kam 2015 als Autor dazu und betreue das Format seit mittlerweile drei Jahren als Executive Producer.

Es steckt also kein Masterplan dahinter, dass aus dem linearen TV-Format "Wie gut ist" die erfolgreiche Multiplattformmarke "Besseresser" geworden ist?

Nein, das hat sich erst im Laufe der Zeit entwickelt. Nach fünf Jahren hatten wir rund 40 Dokus umgesetzt, die gerade beim jungen Publikum extrem erfolgreich waren. Daraus ist die Idee entstanden, aus diesem Content gemeinsam mit dem ZDF einen YouTube-Kanal zu realisieren. Dort sollten bestehende Inhalte für YouTube konfektioniert erneut ausgespielt werden. Also: Kurze Clips statt 45-minütiges TV-Docutainment. Mit dem YouTube-Channel entstand dann der Brand "Besseresser". Zunächst allerdings lief das alles andere als erfolgreich...

Hafermilch hausgemacht: Sebastian macht Oatly oder Alpro ganz einfach nach

In dem Clip nimmt Lebensmittelexperte Sebastian Lege Hafermilch auseinander. Auf YouTube verzeichnet das Video mehr als zwei Millionen Aufrufe.

...das hat sich radikal geändert: Heute haben Sie fast 600.000 YouTube-Abonnenten, die Clips werden regelmäßig mehr als eine Million Mal abgerufen. Wann ist Ihnen der Turnaround gelungen?

Den Turnaround nennen wir den “Hafermilch”-Moment (lacht). Vor drei Jahren haben wir den Clip "Hammer Hafermilch" auf YouTube hochgeladen. Unser Host Sebastian Lege hat darin gezeigt, woraus genau Hafermilch besteht und warum sie mehr kostet als Kuhmilch.  Der Hafermilch-Clip ging völlig durch die Decke und war die Initialzündung für unseren Erfolg.

Haben Sie eine Erklärung, warum ausgerechnet das Hafermilch-Video viral ging?

Hafermilch wurde damals kontrovers diskutiert. Deshalb haben nicht nur diejenigen geklickt, die Hafermilch feiern, sondern auch die, die sich fragen, "was das nun wieder für ein Mist sein soll". Wir haben in unserem Beitrag eine neutrale Perspektive eingenommen und beide Seiten beleuchtet. Hafermilch ist zwar nachhaltig und "grün", aber aus Verbrauchersicht kann man schon fragen: "Wie kann es eigentlich sein, dass Hafermilch teurer ist als herkömmliche Milch - obwohl im Herstellungsprozess nur ein bisschen Wasser mit Hafer verrührt wird?", um es einmal salopp zu sagen. Das Hafermilch-Video zeigt den Kern unserer Marke bis heute: Wir hinterfragen populäre Lebensmittel und decken dabei Überraschendes auf.

Der Hafermilch-Moment hat die Marke definiert und geschärft. Wie sind Sie auf dieser Basis strategisch weiter vorgegangen?

Bis zu dem Zeitpunkt hatten wir für die lineare Ausstrahlung 40 Folgen produziert, in denen wir uns jeweils mit vier bis fünf Lebensmitteln beschäftigt haben. Hochgerechnet hatten wir also eine Menge potenzieller Online-Clips, aber es war auch klar: Irgendwann würde uns der bestehende Content ausgehen. Außerdem funktioniert nicht jeder Clip auf jedem Kanal.

Haben Sie ein Beispiel?

Ein TV-Beitrag über die Herstellung von Sonnenblumenöl hat linear vielleicht gut funktioniert, für YouTube war uns aber klar: Das Thema wird nur erfolgreich sein, wenn wir näher an unserem beschriebenen Markenkern bleiben und fragen: "Wie gut ist eigentlich das Sonnenblumenöl von Thomy und Co.?".

Drohende Content-Knappheit, kanalspezifische Anforderungen - Sie mussten also mehr YouTube-kompatible Inhalte produzieren.

Richtig. Aus der Dachmarke "Besseresser" heraus haben wir Submarken entwickelt, wie die Reihe "Lege packt aus" - und dabei haben wir YouTube immer mitgedacht. "Lege packt aus" wird auf ZDFinfo ausgestrahlt, die Inhalte sollten von Anfang an aber genauso auch online funktionieren. Die Filme der Reihe bestehen aus vier voneinander unabhängigen Geschichten über ein Lebensmittel. Die Lebensmittel werden für die Fernsehsendung durch eine inhaltliche Klammer zusammengehalten – wie beispielsweise "Gesund-gemogelte Lebensmittel" oder "Falsche Feinkost-Versprechen". Die vier Geschichten funktionieren aber auch jeweils einzeln für sich auf YouTube.

Ein Teil des "ZDFBesseresser"-Teams von Story House Productions

Mit einer Reihe von Digital Only-Formaten möchte das "ZDFbesseresser"-Team Content ohne Kompromisse machen.

Aber auch die Umsetzung dieser Strategie hat noch nicht die nötige Content-Masse für den YouTube-Channel geliefert?

Wenn etwas linear und digital funktionieren soll, ist das immer ein Kompromiss. Fernsehen ist einfach nicht so laut und fresh wie YouTube. Wir wollten aber auch Content ohne Kompromisse. Dafür haben wir intern die besten Voraussetzungen: Unsere Redaktion ist sehr jung, viele sind erst Mitte, Ende Zwanzig und brennen dafür, zielgruppengerechten Content zu produzieren. Gemeinsam haben wir eine Vielzahl an Formaten entwickelt wie "Die miesen Maschen", die als Listicle funktionieren. Einer der bis heute erfolgreichsten Clips ist "McDonald's: 5 miese Maschen des Fastfood-Giganten" mit inzwischen 2,7 Millionen Abrufen. Ein weiteres, sehr journalistisches Online-Format ist "Food Fahnder". Darin recherchiert unser Team alles zu verschiedenen Produkten zum Beispiel aus der Welt der Influencer. Wie "dirty" ist etwa der "DirTea"-Eistee von Influencerin Shirin David? All diese Formate sind in der Ansprache und in der Inszenierung auf die YouTube-Zielgruppe zugeschnitten – dennoch bleiben wir auch hier unserem Markenversprechen treu, populäre Lebensmitteln genau unter die Lupe zu nehmen.

Ein wesentlicher Vorteil, auf einer Online-Plattform wie YouTube präsent zu sein ist auch, dass ihr euer Publikum besser kennt als die TV-Zuschauer. Wie machen Sie euch das zu Nutze?

Der Informationsrückfluss der User ist immens. Wir haben sehr präzise Informationen über die Zielgruppe und können den Content noch passgenauer zuschneiden. Bei unserem YouTube-Kanal sind zum Beispiel 80% unserer Zuschauerinnen und Zuschauer Männer.

Food-Themen verbindet man klassischerweise eher mit einer weiblichen Zielgruppe …

Der Erfolg bei Männern liegt sicher daran, dass wir eben keinen klassischen Koch-Kanal betreiben. Im ersten Corona-Lockdown haben wir mit Nelson Müller spontan "Corona-Kochen" ins Leben gerufen – dieses Format hat überhaupt nicht funktioniert. Kochen interessiert unsere Zielgruppe nicht. Wir erreichen viele Männer, die konsumfreudig Lebensmittel einkaufen, immer mal wieder Fastfood konsumieren und Systemgastronomie mögen. 

Mittlerweile ist die Marke “Besseresser” auch auf Instagram vertreten. Welche Strategie verfolgen Sie dort?

Auf Instagram sprechen wir ein neues Zielpublikum an, jünger und weiblicher. Entsprechend mussten wir neu ansetzen. Die Abonnentinnen und Abonnenten begleiten unsere beiden Hosts Lilly Temme und Florian Reza dabei, besser zu kochen und mehr über Lebensmittel zu lernen. Sie probieren Rezepte aus, stellen Koch-Hacks vor und sprechen mit der Zielgruppe auf Instagram über ihre Erfahrungen. Wir zeigen ein authentisches, unterhaltsames und interaktives Kocherlebnis.

Die Moderatoren Lilly Temme und Florian Reza arbeiten bei Ihnen auch als Producer. Wie haben Sie die beiden als die perfekten Hosts identifiziert?

Social Media Content funktioniert nur, wenn diejenigen, die ihn präsentieren, auch dahinterstehen. Ein Host ist dann gut, wenn er für die Inhalte brennt. Lilly und Flo erfüllen diese Voraussetzung komplett. Und ganz ehrlich: Die beiden sind auch einfach talentiert. Wir sind sehr froh, dass wir die beiden haben.

Achten Sie selbst jetzt eigentlich mehr darauf, was Du einkaufst, als vor deiner Zeit bei "Besseresser"?

Mein Blick hat sich schon sehr verändert, wenn ich einkaufen gehe. Noch mehr sehe ich es aber bei meinem Sohn. Er ist jetzt elf, feiert total was wir machen und ist noch weitaus konsequenter als ich. Wenn wir etwas zu einem Produkt gemacht haben, das sich als ungesund herausstellt, dann stellt er klar: Wir kaufen das jetzt nicht mehr. (lacht)

Wie geht's in der nächsten Zeit weiter mit "ZDFbesseresser"?

Wir entwickeln derzeit ein brandneues "Besseresser"-Format, das auf die ZDF Mediathek zugeschnitten ist. Dabei gehen wir völlig neue Wege: Das halbstündige Format ist als Show konzipiert, die laut und unterhaltsam sein soll, ohne dass wir dabei aber unseren journalistischen Anspruch bei der Auseinandersetzung mit Lebensmitteln verlieren. Mehr darf ich leider noch nicht verraten, aber es wird spannend.

Lieber Herr Maiterth, vielen Dank für das Gespräch.

 

Interview: Daniel Kreutzenberger

 

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