"Die Freiheiten waren unglaublich bereichernd"
Komponistin Jessica de Rooij hat für die neue Serie "Mozart, Mozart" einen Score geschaffen, der Klassik mit Pop, Elektronik und eigenen Motiven verbindet. Ein Gespräch über Mut, kreative Freiheit und die Frage, ob Mozart ihr Werk wohl gemocht hätte.
Liebe Jessica, Mozarts Name und seine Musik sind weltweit ein Begriff. Was ist deine persönliche Verbindung zu ihm und seiner Musik?
Mozart begleitet mich seit meiner Kindheit. Die "Sonata facile", das Eröffnungsstück unserer Serie, habe ich schon früh gespielt. Heute lernen auch meine Kinder seine Musik auf Geige und Klavier. Mich fasziniert besonders diese Mischung aus Klarheit, Originalität und Genialität.
Was macht diese Genialität für dich aus?
Seine Musik ist unverkennbar – voller Leichtigkeit, Witz und Frische. Gleichzeitig beherrscht er düstere Töne wie in "Lacrimosa" meisterhaft. Diese Bandbreite ist außergewöhnlich.
© WDR/Story House Pictures
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Die Herausforderung für Dich als Komponistin könnte größer nicht sein. Wie wird man einem Genie gerecht…
… interessanterweise war das nicht mein erster Gedanke. Andreas Gutzeit, unser Showrunner, war offen für neue Wege. Ich hatte große Freiheit und konnte mich kreativ 'aus dem Fenster lehnen'.
Besonders reizvoll war die Möglichkeit, Mozart mit moderner Popmusik zu verbinden. Ihn zu kopieren wäre für mich nie infrage gekommen – ich wollte meine eigene Handschrift einbringen.
Inwiefern?
Eine wirklich spannende Herausforderung war es rüberzubringen, dass Mozart ja damals rebellisch und innovativ geklungen hat, für unsere heutigen Ohren aber im wahrsten Sinne des Wortes nach 'Klassik' klingt. Wir haben versucht, im Soundtrack das Gefühl des Neuen, Unerwarteten, das Mozarts Musik damals hatte, für ein heutiges Publikum erfahrbar zu machen. Es ging uns darum, Mozarts Genialität und seinem kreativen Erfindungsreichtum wirklich gerecht zu werden. Und ja, ich hoffe sehr, Mozart würde unsere Interpretation mögen (lacht).
Diese Freiheit bedeutet aber auch ein Risiko, oder?
Natürlich. Unsere Musik klingt anders als das Original. Aber im Zentrum stand immer die Frage: Welche Emotion wollen wir in einer Szene erzeugen? Dafür habe ich passende Mozart-Motive ausgewählt und neu arrangiert.
Wie bist du konkret an die Kompositionen herangegangen?
Wir haben begonnen, als nur die Drehbücher existierten. Gemeinsam mit der Regie haben wir ein musikalisches Konzept entwickelt. Clara Zoë My-Linh von Arnim, die Regisseurin der Serie, und Andreas hatten klare Vorstellungen, haben mir aber gleichzeitig voll vertraut.
© WDR/Story House Pictures
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Wie habt ihr mit den Büchern genau gearbeitet?
Wir sind sie sehr detailliert durchgegangen: Wo brauchen wir Musik? Wo ist sie Teil der Handlung? Wie soll sie klingen? Clara hat mir außerdem Referenzsongs geschickt, um die gewünschte Richtung zu verdeutlichen.
Du hast also auch bestehende Mozart-Stücke für die Serie verändert?
Ja. Für Szenen, in denen die Schauspielerinnen und Schauspieler Klavier spielen, haben wir überlegt, welche Stücke funktionieren – und wo Anpassungen nötig sind. Die "Sonata facile" war perfekt für den Serienstart. Da sie zwei-, nicht vierhändig ist, habe ich sie entsprechend umgeschrieben. Diese Freiheiten waren unglaublich bereichernd.
Die Stücke mussten vor Drehbeginn fertig sein. Hat das zusätzlichen Druck erzeugt?
Absolut. Wir brauchten alles sehr früh, damit am Set gespielt werden konnte. Zwischendurch ist uns ein Künstler abgesprungen, weshalb ich darauf achten musste, dass der Score dennoch einheitlich klingt. Am Ende ist er etwas bunter geraten – und das gefällt mir sehr.
Zusätzliche Vielfalt bringt auch die Electronica-Band Ätna ein, die Teil des Soundtracks ist. Wie war die Zusammenarbeit?
Wunderbar. Sie haben starke eigene Ideen eingebracht, und meine Aufgabe war es, daraus eine Verbindung zu Mozart herzustellen. So entstanden Stücke, die auf Mozart basieren, aber gleichzeitig meinen Stil und Ätnas modernen Sound vereinen. Das hat uns enorm beflügelt.
© WDR/Story House Pictures
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Kurz vor TV-Premiere und Mediathekenstart: Bist du aufgeregt?
Ehrlich gesagt war ich schon von Anfang an aufgeregt – viel mehr als bei 'Sisi', für die ich ebenfalls den Score komponiert habe.
Warum ist es diesmal anders?
Bei 'Sisi' habe ich unter anderem Händel modern interpretiert. Doch 'Mozart/Mozart' stellt den Musiker selbst in den Mittelpunkt. Da fühlt man eine besondere Verantwortung. Ich bin sehr gespannt auf die Reaktionen.
Wenn du wählen könntest: lieber wieder ein historisches Projekt oder eines in der Gegenwart?
Überraschenderweise ziehen mich historische Stoffe sehr an.
Was reizt dich daran?
Es ist spannend, in eine andere Welt einzutauchen. Außerdem frage ich mich: Wissen wir wirklich, wie es früher war? Vielleicht sah vieles ganz anders aus – so wie in 'Mozart/Mozart'. Diese Freiheit liebe ich.
Interview: Dennis Reinhart