Agiles Arbeiten

Bavaria Film Interactive mit Social-Media-Pilotprojekt

Die Arbeitswelt wandelt sich. Die Digitalisierung führt zu mehr Komplexität und höherer Dynamik im Job. Dies erfordert unternehmerische Antworten. Eine davon: agiles Arbeiten. Viele Unternehmen lassen sich aktuell in agilen Methoden qualifizieren, um den Unternehmenserfolg zu verbessern und zeitgemäße Arbeitsweisen umzusetzen. Darunter auch die Bavaria Film Interactive, die jüngst ein Pilotprojekt im Social Media-Bereich dazu aufgegleist hat.

"Wir haben festgestellt, dass wir insbesondere in unseren Digitalbereichen schneller zu Angeboten und Ergebnissen kommen müssen", sagt Geschäftsführer Lars Reckmann. "Auch unsere Kunden stellen ihre Arbeitsweisen um, deshalb müssen wir proaktiv Alternativen gestalten, um auch weiterhin attraktiv und innovativ zu sein." 

 

Nicht für alle Jobprofile bietet sich agiles Arbeiten an. Die Produktion eines Films etwa folgt strengen Ablaufplänen und strikten Regeln am Set. "Agiles Arbeiten bietet sich hingegen dort an, wo Produkte, Prozesse und Arbeitsweisen hinterfragt und entwickelt beziehungsweise weiterentwickelt werden", sagt Brigitte Ehmann, selbstständige Beraterin für HR-Themen und agile Veränderung.

"Erfolgsentscheidend für agiles Arbeiten sind jedoch nicht die Methoden, wie Design Thinking, Scrum und Kanban, sondern die persönliche Haltung. Erst mit der Bereitschaft, die gewohnte Komfortzone zu verlassen, eröffnet sich eine neue Welt. Haltung schlägt Tool", sagt Ehmann. Personalexpertin Ehmann hat die Bavaria Film Interactive zusammen mit der Abteilung Human Resources der Bavaria Film auf ihrem Weg zu agilen Arbeitsweisen begleitet.

Lisa Teutsch, Leiterin Personalentwicklung Bavaria Film: "Als Abteilung Human Resources fördern wir im Bereich Innovation und Development aktiv Agilität als Erfolgsfaktor der Digitalisierung. Unser Part beim Pilotprojekt der BFI war die Beratung und Begleitung der Vorbereitungsphase. Für die Implementierungsphase hat bewusst der Fachbereich die Verantwortung übernommen, da es hier bereits Fachkenntnisse und eine bestehende Projektgruppe gab. Wir als HR lassen bewusst los, um Eigenverantwortung und damit Innovation größtmöglichen Raum zu geben. Unsere Devise lautet: 'So viel Support wie nötig, so viel Eigenverantwortung wie möglich'"

Startschuss im Thüringer Wald

Der Startschuss für das Pilotprojekt fiel bei der BFI im Rahmen eines Offsite-Meetings im Thüringer Wald. Michael Schütz, Mitglied der Geschäftsleitung: "Unsere Kerngeschäftsbereiche sind das Consulting und die Produktion von Corporate Videos. Dazu gehört auch Social Media-Kompetenz. Wir haben jedoch feststellen müssen, dass der Einsatz von Social Media manchmal unter knappen Ressourcen gelitten hat." Die Präsenz der BFI auf Instagram und LinkedIn sei optimierungsbedürftig gewesen. Abhilfe sollte ein Projekt schaffen, in dem agil gearbeitet wird.

Schütz: "Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus allen Arbeitsbereichen und von unseren beiden Standorten in München und Wolfsburg sollten zusammenarbeiten. Mit agilem Arbeiten wollten wir etwas komplett Neues ausprobieren und auch außerhalb des Führungsteams Verantwortung übertragen."

Gemeinsames Ziel: Die Follower-Zahl auf dem Instagram-Channel der BFI erhöhen. Das Projektteam leitete Julia Ferstl, Digital Artist bei der BFI. "Unsere 'Social Media Journey' begann mit zehn Meetings zu jeweils einem Thema", sagt Ferstl.

Die Social-Media-Journey der BFI

 

1. “Startschuss“: die Vorstellung der Journey

6. “Pretty Pixels“: die Prüfung der technischen Anforderungen der Kanäle, die bespielt werden sollten

2. “It’s a match“: die Ausarbeitung von Personas

7. “Let’s talk about time and money“: die Ressourcenplanung und die Festigung des Social-Media-Teams

3. “Auf Augenhöhe“: die Kommunikation mit Personas und Reaktionsschemata

8. “Von der Idee zum Beitrag“: die Etablierung eines Workflows

4. “Content, content, content“: die Beschäftigung mit Inhalten

9. “Big Data“: die Beschäftigung mit Analysemöglichkeiten

5. “Strategy 2020“: die Klärung der Fragen, wann und wie oft etwas gepostet werden soll

10. “The good fight“: die Klärung von Rechten und Pflichten

Im Rahmen der Meetings wurde gemeinsam eine Kreativtechnik entwickelt. HR-Beraterin Brigitte Ehmann, die bei den Treffen dabei war: "Dazu gehörten Brainstormings zu fixen Uhrzeiten – auch 'stumme' Brainstormings, in denen kreative Ideen nur als Post-its aufgeklebt wurden." Angewandt wurde auch die sogenannte Nudge-Methode: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erhalten statt Regeln und Anweisungen, kleine, oft spielerische Anregungen wie Rollenspiele, Zitate oder Gedichte. So sollen Freiräume geschaffen werden zum kreativen und produktiven Arbeiten. "Ziel der Methode ist es auch, bestehende Funktionen, Rollen und Routinen auszublenden und offen und neutral im Meeting zu sein", sagt Projektteam-Leiterin Ferstl. "Wir haben beispielsweise Rollenspiele genutzt, um das Reaktionsschema für die Kommunikation mit unseren Personas zu erstellen."

Neue Arbeitsmethoden, standort- und abteilungsübergreifende Zusammenarbeit – keine leichte Management-Aufgabe für Julia Ferstl: "Man muss als Teamleitung auf Menschen aus verschiedenen Bereichen eingehen. Sie alle haben unterschiedliche Stellenprofile, unterschiedliche Biographien und unterschiedliches Social Media-Know-how." Zudem startete das Projekt im Oktober – ausgerechnet zu der Zeit, in der bei der BFI das Auftragsvolumen stets am größten ist. Ferstl musste also zusätzlich das Tagesgeschäft mit dem agilen Social Media-Projekt überein bringen. "Natürlich ist das ein schwieriger Spagat”, sagt Ferstl. "Allerdings kann ich Kundenanfragen je nach Prioritäten und Buchungen abarbeiten. In der Motion Graphics-Abteilung ergeben sich dann oftmals kleine Zeitfenster, die ich für das Social Media-Projekt nutzen konnte."

Umdenken in Pandemie-Zeiten

Mitten in den Aufbau des agilen Social Media-Projekts platzte die Corona-Krise. Neue Fragen mussten beantwortet werden. Zuvorderst: Können wir in Kurzarbeit agil arbeiten? Antwort: Ja. “Wir haben in MS Teams einen Social-Media-Kanal angelegt. Über diesen haben wir uns täglich ausgetauscht. Das Ganze haben wir noch mit gemeinsamen Online-Social-Media-Meetings aufgewertet”, sagt Ferstl. Innerhalb kurzer Zeit wurden 14 Folgen einer Corona-Videoserie in Eigenregie produziert – ohne Kundenauftrag (s. rechts). Die Followerzahl des Instagram-Channels der BFI erhöhte sich plangemäß deutlich.

Die einzelnen Corona-Animationsvideos zeigen – mit einem Augenzwinkern – unter dem Motto “How to Home Office” die Tücken pandemiebedingter Heimarbeit inklusive Tipps. Zum Beispiel: kurze Dehn-Übungen für zwischendurch mit dem Hinweis ‘Hüte Dich vor Deinem Nachbarn mit dem Fernglas’. 

“Wir alle waren mit der Tatsache konfrontiert, nahezu von heute auf morgen ins Homeoffice zu ziehen”, sagt Ferstl. Im Social Media Meeting habe das Team über die neuen Erfahrungen gesprochen. Daraus sei die Idee zur Serie entstanden. Ein Volltreffer für die BFI. Ferstl: “Wir konnten neue Leads generieren, die zu direkten Neukundenanfragen geführt haben.” Man könne feststellen, dass Kunden vermehrt virtuelle Formate anfragen. Daher gelte es, am Ball zu bleiben und weiterhin stark auf Social Media zu setzen.

Die agile Arbeitsweise hat sich auf die Unternehmenskultur der BFI positiv ausgewirkt. Unter anderem hat sich die standort- und abteilungsübergreifende Kommunikation stark verbessert. “Die Teammitglieder sehen die Arbeit im Projekt als Möglichkeit, aus Routinen auszubrechen und ihrer Kreativität freien Lauf lassen zu können”, sagt Ferstl. BFI-Geschäftsführer Lars Reckmann ergänzt: “Die Akzeptanz in unserer gesamten Firma ist extrem hoch.

Es wurden keine festen Rollen definiert, jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter hat die Grenzen seiner eigentlichen Jobbeschreibung überwunden – ein fast schon hyperagiler, holokratischer Ansatz.” Insgesamt sei eine höhere Flexibilität festzustellen, die insbesondere während der Corona-Pandemie helfe, besser und schneller mit Veränderungen klar zu kommen. Und darum geht es schließlich in der neuen Arbeitswelt: Veränderungen proaktiv gestalten und stets flexibel bleiben.

To Dos

  • Für den Start Support aus verschiedenen Bereichen nutzen/annehmen: HR, Geschäftsführung, Produktmanagement vereinen, um verschiedene Sichtweisen im Blick zu haben.
  • Freiwillig zum Mitmachen ausschreiben. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben mehr Lust auf Abwechslung, als man denkt.
  • Gemischtes Team von unterschiedlichsten Persönlichkeiten und Jobprofilen zusammenstellen.
  • Projektleitung bzw. Projektmoderation bewusst nicht an Führungskraft vergeben.
  • Spaß haben, kleine Belohnungen (gemeinsames Frühstück organisieren etc.) und Wertschätzung großen Stellenwert geben (z.B. Danke sagen, Erfolge öffentlich machen).

Herausforderungen

  • Hartnäckig bleiben und nicht von möglicher anfänglicher Verwirrung abschrecken lassen.
  • Im Plan und im Rhythmus bleiben.
  • Wechselnde Teilnehmer in den Meetings managen (ggf. auf aktuellen Stand bringen und direkt mit Fokus weitermachen).
  • Immer wieder alle (Teil-) Ergebnisse zusammenführen und Ziel fest im Blick behalten.
  • Spaß und Leichtigkeit fördern mit “Auflockerungs-Tools” und Nudge-Methode

Die fünf größten Erfolge

  • Erfolgreicher Abschluss eines internen Social-Media-Projektes, das bisher nicht in den Zeitplan passte.
  • Generieren von Zusatzgeschäft durch zusätzliches Animationsvideo-Projekt.
  • Deutliche Verbesserung der abteilungs- und standortübergreifenden Zusammenarbeit.
  • Beweis erbracht, dass agiles Arbeiten auch im Home Office und in Kurzarbeit möglich ist.
  • Persönliche Weiterentwicklung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ermöglicht.

Text: Dr. Sebastian Feuß

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