"Mein mit Abstand einschneidendstes Projekt"

Schauspieler Franz Dinda übernimmt seit der ersten Staffel eine Hauptrolle als Leitender Ingenieur "LI" Robert Ehrenberg in der erfolgreichen Bavaria Fiction-Produktion "Das Boot". Vor dem Start der dritten Staffel (seit 14. Mai exklusiv bei Sky) hat "Bavaria Film – Das Magazin" mit dem Schauspieler darüber gesprochen, wie sich Relevanz und Eskapismus miteinander vereinen lassen, warum er als 10-Jähriger schon eine Kettensäge bedienen konnte und warum er es liebt, 10.000 Liter Wasser ins Gesicht zu bekommen.

Herr Dinda, "Das Boot" vermittelt eine klare Antikriegsbotschaft. Gerade müssen wir den brutalen Angriffskrieg Russlands in der Ukraine erleben. Inwieweit verändert das aus Ihrer Sicht die Tragweite der Serie?
Die Serie hat nicht nur eine klare Anti-Kriegs-Botschaft, sondern auch eine starke Friedensbotschaft. Die Tragweite verändert sich nun aber vor allem für das Publikum, das durch die schrecklichen Umstände die Aktualität solcher Geschichten vor Augen geführt bekommt.

Damit hat die Serie auch eine ausgeprägte Fallhöhe.
Seit Staffel 1 war es der Wunsch, dass "Das Boot" keine Vorlage für feuchte Träume von rechtsgesinnten und rechtsaffinen Menschen ist. Es soll vielmehr einem jungen Publikum vor Augen führen, was Frieden für ein Privileg ist. Meines Erachtens ist das gelungen.

Inwiefern?
Es gibt hier keine Kriegshelden. Soldaten sind Rädchen in einer Maschine, die unter dem Krieg leiden und trotzdem ihre Pflichten zu erfüllen haben. Nicht alle Figuren in der Serie sind Kriegsgegner, das kann man nicht erwarten. Aber sie alle entwickeln eine Sensibilität dafür, was ihr Handeln, was der Krieg für Konsequenzen mit sich bringt.

Unabhängig vom Ukraine-Krieg ist militärische Gewalt leider ständig real. Verändert sich die Herangehensweise an eine Rolle, wenn diese nah an einer konkreten Lebensrealität liegt?
Es ist während des Drehs natürlich nicht immer klar, wie relevant bestimme Themen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung sein werden. Grundsätzlich sprechen mich Themen an, bei denen ich einen Bezug zu unserem Leben sehe.

Eskapismus ist für Sie also nicht das Hauptziel des filmischen Verarbeitens von Themen?
Ich finde es komplett legitim und ich flüchte mich auch gerne mal in eine andere Welt. Im besten Falle sollten sich Eskapismus und Relevanz aber ergänzen und verbinden. Man kann doch durchaus leicht erzählen, ohne belanglos zu sein.

Parallel zur Schauspielerei bauen Sie sogenannte Lyrikmaschinen, die Gedichte räumlich erlebbar machen und mit denen Sie das Medium transzendieren. Hat "Das Boot" schon Einfluss gefunden in diese handwerkliche Kunst?
Es ist alles miteinander verwandt. Ich merke in der Pressearbeit, dass es wohlwollend angenommen wird, dass der Leitende Ingenieur Robert Ehrenberg auch privat als Franz Dinda einen Hang zu Technik hat. (lacht)

© 2021 Stephan Rabold / Bavaria Fiction / Sky Deutschland

Wer lernt denn hier von wem?
Ich lerne von Robert Ehrenberg viel hinsichtlich U-Boot-Technik. Aber Robert Ehrenberg gab es ja noch gar nicht, als ich meine ersten Maschinen gebaut habe. Mein Projekt "ReimRaum" ist 15 Jahre alt und meine technische Neugier geht sogar noch weiter zurück. Als Sohn einer Pastorin und als einziger Mann im Hause war ich einfach dafür zuständig, den Hausmeister zu geben. Und dementsprechend habe ich schon relativ früh angefangen, meine Angst vor Maschinen abzulegen und mit der Kettensäge loszuziehen, obwohl ich erst zehn Jahre alt war.

Das klingt martialisch.
(lacht) Die Pfarrhäuser waren ja für Familien mit fünf bis zehn Kindern ausgelegt. Dementsprechend groß waren dann auch die damit zusammenhängenden Aufgaben. Es gab immer viel zu pflegen, zu tun, zu machen. Davon profitiere ich heute. Man erhält eine gewisse Unabhängigkeit, je mehr man selbst durchführen kann. Tatsächlich hatte ich irgendwann nach Staffel 1 das Gefühl, dass wir als Mannschaft jetzt in der Lage wären, zumindest nicht unterzugehen – eine gewagte These, ich weiß...

Sieht Jürgen Weber, der Marineberater der Produktion "Das Boot", das genauso?
Jürgen Weber überschätzt mich völlig (lacht). Er glaubte, ich könnte allein in ein U-Boot gehen und das Ding lotsen. Da wird mir immer angst und bange, wenn ich ihm zuhöre und das Gefühl habe: "Jetzt verwechselt er mich wirklich mit Robert Ehrenberg."

Wie wichtig war er in der Vorbereitung Ihrer Rolle?
Für das ganze Projekt und für jeden einzelnen Beteiligten ist er unersetzlich. Und hätte man keinen Jürgen Weber gehabt, dann hätte man ihn sich backen müssen. Er atmet "Das Boot". Er lebt "Das Boot".

Was sind das für Detailfragen, die nur ein Marineberater beantworten kann?
Das eine ist das praktische Element: Stimmen die Bewegungsabläufe der Mannschaft? Wer darf wann was machen? Es bringt nichts, wenn ich das Boot fluten will, und ich stelle mich dann ans Seerohr. Die Bildsprache muss glaubwürdig bleiben. Das andere ist das Verständnis für die Theorie: Was wäre beispielsweise bei einem Angriff ein angemessenes taktisches Verhalten für die Crew an Bord?

Ansicht
Das Boot

Für viele Szenen wurde "Das Boot" in einem großen Infinity Pool mit Blick aufs Meer auf Malta gedreht.

© 2021 Stephan Rabold / Bavaria Fiction / Sky Deutschland

© 2021 Stephan Rabold / Bavaria Fiction / Sky Deutschland

Um möglichst authentisch das Meer darzustellen, wurden Wellen-Erzeuger eingesetzt. Gibt es denn Apparaturen und Requisiten, bei denen Ihnen als Handwerker das Herz aufgegangen ist?
Mir ging in vielerlei Hinsicht das Herz auf, wenn ich den Aufwand gesehen habe, mit dem diese Geschichte zum Leben erweckt wurde. Das beginnt bei der Hydraulik der U-Boot-Modelle, um das Gefühl von Wasserbomben-Angriffen und Seegang nachahmen zu können. Und das geht weiter mit den Special Effects-Teams, die in der Lage waren, innerhalb kürzester Zeit Ideen von Schauspielern und Regisseuren umsetzen zu können. In einer Szene sollte zum Beispiel der Eindruck entstehen, ein Motor stehe kurz vor der Explosion. Wir haben uns dann rauchende Ventile und sprühende Funken gewünscht – und kurz später war das alles da. Dieses technische Know-How, das uns dort zur Verfügung stand, ist einfach ein Geschenk für Geschichtenerzähler. Als Schauspieler wünscht man sich auch nicht, in einem Zimmer auf einer Decke zu sitzen und Schiffsuntergang zu spielen. Wenn man tatsächlich auf einem großen Schiff steht und über einen Infinity Pool hinaus auf’s echte Meer blicken kann, funktioniert das Spielen fast schon automatisch.

Ansicht
v.l.n.r.: Konstantin Gries (Franz Buchner), Franz Dinda (Robert Ehrenberg), Maximilian Gehrlinger (Huber), Artjom Gilz (Erdmann)

© Stephan Rabold / Bavaria Fiction GmbH / Sky Deutschland

© Stephan Rabold / Bavaria Fiction GmbH / Sky Deutschland

Sie haben einmal gesagt, das U-Boot-Modell sei "schauspielerfreundlich". Wie meinen Sie das?
Es geht nicht darum, dass wir uns darin wohlgefühlt haben, sondern dass die Enge und die Atmosphäre uns unterstützt haben, eine Kraft zu entwickeln, die sich auf das Publikum überträgt.

Hat sich die Vorbereitungszeit von Staffel zu Staffel verkürzt?
Ja, definitiv. Letztendlich rollt der Zug schon und die Gleise sind auch gelegt. Das heißt, ich konnte mich jetzt mit dem Tempo beschäftigen und mir inhaltlich ganz andere Fragen stellen. Das ist immer wieder eine neue Reise, weil meine Rolle Robert Ehrenberg von Staffel zu Staffel auch immer wieder völlig andere Schwerpunkte gesetzt bekommt.

Wie hat sich Robert Ehrenberg denn verändert?
In Staffel 1 war er der Mitläufer, der Boot-Flüsterer. In Staffel 2 war er der Süchtige und wurde von seinem neuen Kapitän Wrangel erpresst. Nun in der dritten Staffel sehen wir einen Ehrenberg, der zum einen immer noch komplett zerrissen ist, was seine Loyalität angeht; und der zum anderen als Mensch die Sehnsucht hat, für sich Glück und Frieden zu finden. Er versucht mit all der Schuld abzuschließen, die er auf sich geladen hat.

Ist Ehrenberg gerne an Bord eines U-Boots? Oder hasst er es?
Er liebt U-Boote – aber er hasst U-Boote im Kriegseinsatz. Es sind technische Wunder für ihn. Aber es ist eben eine Kriegsmaschine und Kriegsmaschinen haben einen Zweck, den sie auch erfüllen müssen. Das bedeutet eine innere Zerrissenheit für ihn und das war auch immer der schmale Grat für mich als Schauspieler, auf dem es sich zu bewegen galt: Man darf diese Rolle, ihre persönlichen Wünsche und ihre Haltung zum Krieg nicht zu naiv anlegen.

© 2021 Stephan Rabold / Bavaria Fiction / Sky Deutschland

Ist Ehrenberg in dieser Hinsicht auch sensibler geworden über die Staffeln 1 bis 3?
Ich denke, dass er sich selbst nicht mehr so viel durchgehen lässt, weil er vor Augen geführt bekommen hat, was Feigheit bedeutet. Er hat in der ersten Staffel seinen Freund und Kapitän Hoffmann verraten, er hat nie Flagge bekannt.

Wir erfahren als Zuschauer auch, dass er seine Familie verloren hat. Versucht er diese mit der U-Boot-Crew und auch mit Greta, die er zu Beginn von Staffel 3 kennenlernt, zu ersetzen?
Robert Ehrenberg ertappt sich dabei, wie er Gefallen an dieser Greta findet. Im Verlauf der Zeit begreift er, dass sein Wunsch nach einem Neuanfang legitim ist. Aber damit ein Robert Ehrenberg glücklich werden darf, muss er sich das zunächst verdienen. Deshalb kann er auch nicht ignorieren, dass eine junge Mannschaft ins Verderben geschickt wird, sondern sieht deren Mission als seine eigene Mission der Widergutmachung an.

Ansicht
Das Boot

Mit Hydraulik, Wasserwerfern und Windmaschinen wurden am Set von "Das Boot" die Verhältnisse auf hoher See nachgestellt.

© 2021 Stephan Rabold / Bavaria Fiction / Sky Deutschland

© 2021 Stephan Rabold / Bavaria Fiction / Sky Deutschland

Wir alle kennen das "Ping" des U-Boot-Sonars oder den "Alarm!"-Schrei. Welches Geräusch verbinden Sie mit "Das Boot"?
Ich weiß noch, wie stolz ich war, beim Dreh einmal im U-Boot "Alarm!" schreien zu dürfen. Aber am meisten mochte ich das Geräusch der Wasserwerfer. Das ist für mich das, was am meisten all das in sich trägt, was ich am "Boot" schätze: Da oben auf dem Turm zu stehen und mit einem Wasserwerfer, unterstützt von einer Windmaschine, 10.000 Liter Wasser ins Gesicht gehämmert zu bekommen. Um dieses Erlebnis zu wiederholen hätte ich am liebsten ganze Takes versaut (lacht). Ich weiß noch, dass ich in Staffel 2 nur eine solche Szene hatte und Regisseur Matthias Glasner schon nach einem Take zufrieden war. Ich dachte nur: "WHAT! Das ist jetzt nicht dein Ernst!" (lacht). Zum Glück sind wir dann in Staffel 3 nochmal auf unsere Kosten gekommen…

Wie war es, für Staffel 3 wieder in die Boot-Kulisse zu steigen?
Das war sehr emotional und wunderschön. Der erste emotionale Schritt war für mich allerdings, mein Kostüm wieder anzuziehen und damit wieder Robert Ehrenberg zu sein. Für mich persönlich ist es das mit Abstand einschneidendste Projekt, allein schon aufgrund der Länge der Dreharbeiten.

In drei Staffeln mehr als 300 Drehtage...
Ich habe noch nie über so einen langen Zeitraum an einem Projekt gedreht, weder für einen Film noch für ein Serien-Format. Das Glück, in einem so qualitativ hochwertigen Projekt so viel Zeit verbringen zu dürfen, ist durch nichts zu ersetzen.

Interview: Martin Brückle

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