"Bei uns geht es richtig nach vorne"
Das neue "Tatort"-Ermittlerteam Hölzer und Schürk haben ihren Dienst in Saarbrücken angetreten. Ein Gespräch mit den beiden Hauptdarstellern Daniel Sträßer und Vladimir Burlakov über Zwickel zapfen, Erklärbären und ein dunkles Geheimnis.
Daniel Sträßer ist Hauptkommissar Adam Schürk (links), Vladimir Burlakov ist Hauptkommissar Leo Hölzer (rechts).
Herr Burlakov, Herr Sträßer, Sie leben beide in der Metropole Berlin. Nun hat es Sie für den "Tatort" für längere Zeit ins kleine und beschauliche Saarbrücken verschlagen. Ein Kulturschock?
Burlakov: Ehrlich gesagt hatte ich schon ein paar Vorurteile (lacht). Man dreht ja doch einen Monat dort und muss sich ein bisschen mit seinem Umfeld arrangieren. Aber ich habe mich im Saarland beziehungsweise in Saarbrücken wirklich sehr wohl gefühlt. Die Nähe zu Frankreich und das Essen sind schon toll. Und dann war es super, dass Daniel mir ein paar Bars und Restaurants zeigen konnte …
… weil Sie, Herr Sträßer, als geborener Saarländer natürlich Insider-Wissen haben …
Sträßer: … absolut. Für mich war der Dreh eine Art Homecoming. Mein letzter Job in Saarbrücken bestand darin, am Staden im Biergarten Merguez zu grillen und Zwickel zu zapfen (lacht). Aber es war wahnsinnig schön, dorthin zurückzukehren. Ich finde dort viele Dinge wieder. An jeder Ecke erinnert mich irgendwas an meine Jugend. Genauso gibt es aber auch Dinge, die ich jetzt ganz neu kennengelernt und reflektiert habe – weil ich heute ein anderer bin als der, der Anfang der 2000er dort weggezogen ist. Diese Diskrepanz auszuloten, war wahnsinnig schön.
Sie waren beide schon in prominenten Hauptrollen in bekannten Film-, TV- und Theater-Produktionen dabei. Jetzt sind Sie "Tatort"-Kommissare. Das bedeutet nochmal eine ganz neue Dimension von Öffentlichkeit. Wie empfinden Sie das?
Vladimir Burlakov spielt Hauptkommissar Leo Hölzer.
Burlakov: Der "Tatort" ist ein Stück deutsches Kulturgut. Die Dimension wurde mir erst richtig bewusst, als ich den fertigen Film gesehen habe. Da habe ich tatsächlich gedacht: Oh mein Gott, ich spiele einen "Tatort"-Kommissar in Deutschland! Ich bin als Wirtschaftsflüchtling in dieses Land gekommen, habe die ersten eineinhalb Jahre in einem Flüchtlingsheim gewohnt, von Sozialhilfe gelebt. "Tatort"-Kommissar zu sein, ist eine besondere Ehre für mich.
Sträßer: Was das konkret bedeutet, "Tatort"-Kommissar zu sein und viele Zuschauer zu erreichen, ist für mich noch nicht greifbar. Klar macht man sich ein paar Gedanken, aber konkret weiß ich nicht, wie es sein wird. Aber ich freue mich sehr auf die Erfahrung. Was ich definitiv weiß: Unser Film ist sehr gut geworden!
Wie lernt der Zuschauer das Ermittlerteam Schürk und Hölzer im Film kennen?
Burlakov: Die beiden sind Kindheitsfreunde, haben sich aber mehr als 15 Jahre nicht gesehen. Jetzt treffen sie wieder aufeinander. In meiner Rolle als Hauptkommissar Leo Hölzer habe ich gerade ein Ermittlungsverfahren wegen unterlassener Amtshilfe am Hals, Daniel ist in seiner Rolle als Hauptkommissar Adam Schürk der neue Mann, der für meinen alten Partner einspringt. Der hat ziemlich Stimmung gegen mich gemacht. Der erste Fall dreht sich dann um eine verfeindete Familie, in der jeder jeden hasst.
Sträßer: Die Story ist wirklich toll. Supercool finde ich an dem Film aber auch, dass er so vielschichtig ist und auf ganz vielen Ebenen spielt. Das betrifft die Story, die Figuren und ihren jeweiligen Charakter.
Was bedeutet das konkret?
Sträßer: Bei der Einführung der Figuren Hölzer und Schürk sieht das Buch keinen stundenlangen Erklärbären vor: Wer ist wer? Welchen Charakter haben die? Es geht gleich los. Bäm! Ich trete als Adam auf und es gibt gleich eine Aktion – und der Zuschauer weiß, was abgeht, wer dieser Mensch ist. Ich liebe meine erste Szene sehr. Hendrik Hölzemann, unser Drehbuchautor, hat uns eine wahnsinnig reiche Figurenbibel an die Hand gegeben, uns als Darsteller unheimlich gut gefüttert. Es ist echt ein Privileg, das jetzt über eine längere Zeit umsetzen und weiterentwickeln zu dürfen.
Daniel Sträßer ist Hauptkommissar Adam Schürk.
Hölzer und Schürk verbindet ein dunkles Geheimnis aus der Vergangenheit. Welche Rolle spielt das im ersten Film?
Sträßer: Es hat natürlich die Charaktere Hölzer und Schürk geprägt: Der eine hat sich in diese, der andere in jene Richtung entwickelt. Jetzt kommen sie zusammen und müssen erkennen: Okay, wir waren eng befreundet, und es gibt Dinge in der Vergangenheit, die uns verbinden und uns nun in dem konkreten Fall einholen. Wir müssen in der Gegenwart mit unserer Vergangenheit dealen.
Burlakov: Wir haben gerade die Drehbücher für den zweiten Film gelesen: Dort wird unser Geheimnis noch eine viel größere Rolle spielen als im ersten Film.
Die beiden neuen Hauptkommissare im Saarland verbindet ein dunkles Geheimnis aus der Vergangenheit.
Mit dem Geheimnis gibt es also ein verbindendes Element, das es – wie beim Dortmund-"Tatort" – erlaubt, auch horizontal zu erzählen?
Sträßer: Auf jeden Fall. Ich liebe den Dortmund-"Tatort". Das persönliche Drama, das Jörg Hartmann als Kommissar Faber mit sich herumträgt, verbindet die einzelnen Episoden. Bei uns ist es für beide Figuren dieses Geheimnis, das ein ähnliches verbindendes Element sein kann. Aber ganz klar: Wir drehen nur einen Film im Jahr, deshalb muss eine Episode auch für sich stehen können.
Nahezu jedes "Tatort"-Team hat einen USP, ein Alleinstellungsmerkmal. In Dortmund ist es Fabers horizontal erzähltes Familiendrama, Batic und Leitmayr verkörpern die Münchner Grantler, Freddy Schenk und Max Ballauf in Köln sind die bodenständigen Rheinländer, die Fälle der Münsteraner Thiel und Boerne gehen oft ins Comedy-Fach. Was ist der USP von Schürk und Hölzer in Saarbrücken?
Burlakov: Es ist zu früh, das schon jetzt so eindeutig zu benennen. Ich glaube, dass sich eine Essenz erst im Laufe einiger Episoden benennen lässt...
Sträßer: … wobei es für mich schon ein paar Besonderheiten gibt: Wir sind jung, strahlen eine virile Kraft aus, sind energetisch, die Geschichte ist emotional aufgeladen. Das unterscheidet uns schon von Batic und Leitmayr oder von Schenk und Ballauf – ohne ihnen jetzt zu nahe treten zu wollen (lacht). Es geht schon richtig nach vorne bei uns. Ich finde die Entscheidung des Senders sehr gut und sehr mutig, auf ein junges Team und junge Schauspieler zu setzen und ihnen Vertrauen zu schenken.
Herr Burlakov, Sie haben eingangs gesagt, es sei eine besondere Ehre für Sie, einen "Tatort"-Kommissar zu spielen. Wem haben Sie denn zuerst davon erzählt?
Burlakov: Meiner Mama. Aber ich musste ihr erstmal erklären, was der "Tatort" in Deutschland ist. Nämlich eines der erfolgreichsten und etabliertesten Reihen im deutschen Fernsehen. Und dann meinte sie: Ah, okay, großartig, cool, herzlichen Glückwunsch!
Und wem haben Sie zuerst von Ihrer neuen Rolle erzählt, Herr Sträßer?
Sträßer: Tatsächlich auch meiner Mutter. Wie bei den meisten Müttern war die erste Reaktion dann erstmal eine Mischung aus Skepsis und Sorge um ‚den Jungen‘ nach dem Motto: 'Ach, Daniel, ist das nicht zuviel für Dich?' Aber in Wahrheit ist sie natürlich nur stolz wie Oskar. Sie war bei der Preview in Saarbrücken dabei und war sehr begeistert. Da ist im Übrigen auch noch etwas ganz Wunderbares passiert.
Zum neuen Ensemble gehören auch Brigitte Urhausen und Ines Marie Westernströer.
Und zwar?
Sträßer: Mein dreijähriger Sohn war auch in Saarbrücken dabei, wir haben bei meiner Mutter übernachtet. Die Premiere haben wir dann ja, sagen wir mal, etwas ausgiebiger gefeiert – und meine Mutter hat mich am nächsten Morgen ausschlafen lassen und ist mit meinem Sohn zum Bäcker gegangen. Sie steht dann dort in der Schlange, mein Sohn zeigt auf den Zeitungsständer und sagt plötzlich: 'Papa!' Meine Mutter dreht sich um und sieht mein Bild auf der Titelseite der "Saarbrücker Zeitung". Sie konnte dann meinem Sohn nur beipflichten: 'Ja, stimmt, das ist dein Papa!' Sie ist schon sehr stolz, denke ich.
Wenn ich Sie als Kinder gefragt hätte, was hätten Sie geantwortet: lieber Bulle oder lieber Bankräuber?
Burlakov: Ich hätte Schauspieler geantwortet. Ich wollte nie etwas anderes werden.
Sträßer: Ich war ein recht artiges Kind. Tatsächlich wollte ich immer Bombenentschärfer werden.
Produziert worden ist Ihr "Tatort" von der ProSaar Medienproduktion, einer Tochtergesellschaft der Bavaria Film. Wie haben Sie die Arbeit mit dem Team erlebt?
Sträßer: Extrem stunning, absolut begeisternd. Die Produktion war geil organisiert. Man kann dem Produktionsleiter Andreas Berndt da nur ein ganz großes Lob aussprechen. Wir hatten ein toll eingespieltes Team hinter der Kamera, das dem Regisseur Christian Theede und uns in den 22 Drehtagen auch Zeit freigeräumt hat, zum Beispiel verschiedene Takes zu drehen, Sachen auszuprobieren.
Burlakov: Das Team hat gemerkt, dass es um etwas Neues geht, dass etwas Neues entsteht und jeder einzelne direkt daran beteiligt ist. So etwas sorgt immer dafür, dass man sich fokussiert, es sorgt für eine positive Grundhaltung und es setzt Energie frei. Das sieht man dem Film ganz eindeutig an.
Vielen Dank für das Gespräch.
Interview: Dr. Sebastian Feuß