Sensibel für Unsensibles

"Schloss Einstein" gehört zu den erfolgreichsten Kinder- und Jugendserien im deutschen Fernsehen. Wie keine zweite steht sie für Diversität. Für die neue Staffel wurden nun erstmals Sensitivity Reader eingesetzt.

Sie ist die Neue am Albert Einstein Gymnasium in Erfurt: Emilia Amani. Die Referendarin tritt in Staffel 26 der erfolgreichen Kinder- und Jugendserie "Schloss Einstein" den Schuldienst an. Gespielt wird sie von Tua El-Fawwal, 2020 mit dem Deutschen Schauspielpreis als beste Nachwuchsschauspielerin ausgezeichnet. Ein Top-Neuzugang für die "Einsteiner" also.

Die gebürtige Ägypterin Tua El-Fawwal gilt als erste Schauspielerin in Deutschland, die aus Respekt gegenüber ihrem Glauben, dem Islam, privat und vor der Kamera immer einen Hidjab, ein Kopftuch, trägt. Auch bei "Schloss Einstein" in ihrer Rolle als Emilia Amani.

"Da wir im Produktionsteam sowie unter den Autorinnen und Autoren keine Hidjabi haben, noch Menschen, die muslimisch aufgewachsen sind, hatten wir Sorge, dass wir in der Darstellung der Figur 'Emilia Amani' entweder in Klischeefallen tappen oder kulturell oberflächlich arbeiten", sagt Yvonne Abele, Produzentin von "Schloss Einstein" bei der Saxonia Media.

Deshalb ist die Produktion einen Schritt gegangen, der in Amerika bereits weit verbreitet ist: Zwei so genannte Sensitivity Reader wurden engagiert, die das Drehbuch auf sensible Themen gegenlesen sollten. Sensible Themen – das sind vor allem stereotype oder klischeehafte Darstellungen von Figuren und Narrative. Auch so genannte Mikroaggressionen gehören dazu: nett gemeinte Äußerungen, die unbeabsichtigt dafür sorgen können, dass sich Menschen ausgegrenzt fühlen.

Die Drehbücher zur 26. Staffel "Schloss Einstein", insbesondere jene, in denen die 24-jährige Tua El-Fawwal zu sehen ist, hat Elif Kırömeroğlu als Sensitivity Reader gegengelesen. Kırömeroğlu, im Hauptberuf Lehrerin, ist eine der beiden Gründerinnen der Plattform sensitivity-reading.de. Darüber können Autorinnen und Autoren, Redaktionen oder eben Produzentinnen und Produzenten passende Sensitivity Reader für ihre Projekte finden.

Und passgenauer als im Falle von Elif Kırömeroğlu und der Rolle Emilia Amani geht es nicht. "Als Lehrerin und gläubige Muslima habe ich selbst das Referendariat durchlaufen und konnte mich so in die Rolle hineinversetzen", sagt Elif Kırömeroğlu.

Wie bei einem Lektorat hat sich Elif Kırömeroğlu durch die Bücher gearbeitet und Anmerkungen gemacht. "Zum einen hat man ein Gespür dafür, wo knifflige Stellen sind. Wenn man sich selbst mit Diskriminierungserscheinungen auskennt, dann gehen die inneren Sensoren von selbst an. Zum anderen ist es unabdingbar, über wissenschaftlich abgesicherte Expertise zu verfügen", sagt Kırömeroğlu. Sensitivity Reading sei mehr als ein Bauchgefühl.

Nach dem Sensitivity Reading gab es eine größere Gesprächsrunde mit der Produktion und dem Sender. Besprochen wurden Elif Kırömeroğlus Anmerkungen und mögliche Anpassungen vor allem bei den Dialogen und im Kostüm. Ein Problem für die Autorinnen und Autoren der Serie? Immerhin geht es um ihr Werk und ihre Ideen. Da mag es schon mal Sensibilitäten geben. "Unsere Autorinnen und Autoren sind sehr aufgeschlossen", sagt Produzentin Yvonne Abele. "Insofern gab es keine Befindlichkeiten. Alle haben verstanden: Wir können noch bessere Figuren entwickeln und Geschichten erzählen, wenn wir nicht unbewusst in Vorurteilsfallen geraten." Auch die Kinder- und Familienredaktion des MDR habe das Vorgehen unterstützt und gefördert.

Die Erfahrung konstruktiver Gespräche hat auch Yashi Freitag gemacht. Sie war ebenfalls als Sensitivity Reader bei "Schloss Einstein" involviert. Yashi Freitags Mutter ist Chinesin, sie selbst hat ihre Kindheit in Deutschland verbracht und beriet die Produktion hinsichtlich eines Story-Bogens, der Othering unter Freundinnen und kulturelle Aneignung zum Thema hat. "Othering" bedeutet, die eigene Identität als Norm und das Gegenüber als "anders" zu definieren.

Yashi Freitag sagt, dass sie sich beim Lesen der Geschichte insbesondere von ihren Emotionen hat leiten lassen. "Ich habe mich gefragt: Wie hätte der Charakter auf mich gewirkt, wenn ich ihn als Kind in der Serie gesehen hätte – und wie hätte ich ihn mir damals gewünscht", so die Absolventin der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin.

Als Kind habe sie oft ein merkwürdiges Gefühl gehabt, wenn sie stereotypisch dargestellte asiatische Charaktere im Fernsehen gesehen hätte. "Natürlich ohne dass ich als Kind den Grund hätte nennen können." Als besonders prägend hat sie die Rolle des "Mr. Yunioshi" in Erinnerung, der japanische Nachbar in "Frühstück bei Tiffany". Der weiße US-amerikanische Schauspieler Mickey Rooney trug damals Make-up und eine Zahnprothese für seine Rolle. Bis heute gilt "Mr. Yunioshi" deshalb als eine der schlimmsten Darstellungen eines Asiaten in der Filmgeschichte.

Für Yashi Freitag lag die besondere Herausforderung beim Sensitivity Reading in der Frage: Kann ich wirklich für alle Menschen mit einem asiatischen Background sprechen? "Aber natürlich ist klar: Nein, ich kann nur meine Perspektive, meine Sichtweise, schildern, meine Erfahrungen und Meinungen einbringen – sicher kann ich nicht für asiatische Menschen generell sprechen. Davon musste ich mich freimachen." Zu bestimmten Fragen hat sie sich mit Freunden und ihrer Mutter ausgetauscht. Etwa zu der Frage, wo kulturelle Aneignung beginnt und wo sie endet. Darf zum Beispiel ein weißes Mädchen Karate machen? "Meine Meinung ist klar: Natürlich, Karate ist für alle. Dennoch mag es da auch radikale Sichtweisen geben, die das verneinen", sagt Yashi Freitag.

Eben weil es diese Spannweite an Meinungen gibt und niemand eine vollkommen neutrale Perspektive einnehmen kann, handelt es sich beim Sensitivity Reading auch nicht um eine letztinstanzliche "Literaturprüfstelle", als die sie Kolumnist Harald Martenstein einmal bezeichnet hat. "Sensitivity Reading ist eine weitere Meinung, die man einholt; Fachwissen, das einen weiterbringen kann", sagt Produzentin Yvonne Abele. "Die Entscheidung, was man daraus macht, trifft am Ende die Produktion allein." Für Yvonne Abele steht fest: Sensitivity Reading wird bei "Schloss Einstein" künftig zum festen Bestandteil bei der Buchentwicklung gehören.

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