"Sein Vertrauen war ein großes Geschenk"

Oliver Stokowski spielt die Hauptrolle in der Verfilmung von Horst Lichters autobiographischem Roman "Keine Zeit für Arschlöcher". Lichter beschreibt darin die letzten Monate im Leben seiner Mutter. Im Interview erklärt Stokowski, wie er sich der Rolle des Horst Lichter genähert hat, warum der Film eine der wichtigsten Arbeiten seines Lebens ist und warum Clowns auch traurig sein dürfen.

Herr Stokowski, vermissen Sie den Bart von Horst Lichter?
Als er mir am letzten Drehtag abgenommen wurde, da war ich schon sehr traurig, es war ein emotionaler Abschied.

Warum war der Abschied emotional?
Das ganze Projekt war sehr intensiv für mich. Ich habe eine Person verkörpert, die real existiert, die ein Millionenpublikum begeistert. Man wird von allen Beteiligten genau beobachtet: Nehmen wir ihm die Rolle ab – oder nicht? Und so ein Drehbuch hat man auch nicht alle Tage auf dem Tisch. Es war eine der wichtigsten – wenn nicht sogar die wichtigste – Filmarbeit meines Lebens bisher.

Wie eng haben Sie mit Horst Lichter zusammengearbeitet?
Wir haben uns bereits beim ersten Kennenlernen lange und intensiv miteinander unterhalten. Er hat sich mir geöffnet. Dieses Vertrauen war ein großes Geschenk. Solche Gespräche führt man nicht alle Tage und dafür bin ich ihm sehr dankbar. Auch danach haben wir immer wieder telefoniert und uns getroffen, aber das geschah alles abseits des Sets, das war eine Sache zwischen ihm und mir. Er war auch mal beim Dreh dabei, aber er wollte sich nicht weiter einmischen. Er hat immer betont, er müsse das Thema abgeben.

Sie sind 1,80 Meter groß, Horst Lichter misst, sagen wir mal, etwas weniger ... Hat das Ihr Spiel beeinflusst?
Horst Lichter ist sehr sportlich. Der Mann steht kerzengerade da, wie ein Turner kurz vorm Absprung. Da musste ich mich nicht kleiner machen. Im Gegenteil, ich musste mich strecken. Und die Körperlichkeit ist auch nur ein Teil des Schauspiels. Ich habe versucht, alle Facetten von Horst Lichter aufzusaugen: Was hat er erlebt? Wie ist seine Sprachmelodie, was betont er, wie gestaltet er einen Satz? Wann sagt er "dat" und wann sagt er eben nicht "dat", wie weit geht der rheinische Dialekt? Das habe ich haarklein studiert. Das Hörbuch habe ich gefühlte 12.000 Mal angehört, unzählige seiner TV-Sendungen und beinahe jedes Interview gesehen. Anschließend begann die eigentliche Arbeit: die Figur zum Leben erwecken. Man will die Zuschauer in die Geschichte holen, in diesen alles verändernden Lebensabschnitt von Horst Lichter. Wenn man es schafft, der Seelenwelt, dem Gefühlsleben gerecht zu werden, als er seine ganze Kindheit noch einmal vor sich sieht und die Beziehung zu seiner Mutter noch einmal aufarbeitet… dann vergisst man, dass man eine Rolle spielt. Und das Publikum im Optimalfall auch.

Horst Lichter sagt, er habe immer wieder den Clown gegeben, um der Härte seiner Mutter etwas entgegenzusetzen. Gleichzeitig ist er ein umtriebiger Geschäftsmann. Wie haben Sie diese Ambivalenz in ihrem Schauspiel verarbeitet?
Meine Aufgabe war es, den Menschen Horst Lichter in dieser Situation so authentisch wie möglich zu verkörpern. Da habe ich nicht an zwei, drei oder fünf Seiten von ihm gedacht. Ich habe versucht, seine Gefühlslage im jeweiligen Moment zum Leben zu erwecken. Egal was vorher oder nachher war.

Mehr Infos zur Produktion "Keine Zeit für Arschlöcher" von Bavaria Fiction

Insbesondere eine Szene stellt die Quintessenz von Horst Lichters Sicht auf das Leben heraus. In der Szene rügt Mutter Margret ihren Sohn: "Sieh' nicht immer das Gute, wo nichts Gutes ist." Darauf antwortet Horst Lichter: "Wenn ich das nicht tue, was gibt es dann noch zu sehen?" Wie stehen Sie zu dieser Antwort?
Er ist und war sein Leben lang bemüht, den Ernst der Lage wegzutanzen, ihm die Brisanz zu nehmen – trotz aller Schicksalsschläge. Das war bei der Krankheit seiner Mutter irgendwann nicht mehr möglich und stürzte ihn in eine große Sinnkrise. Die letzte Wurzel wird dir ganz plötzlich herausgerissen und du bist dann plötzlich ein Waise. Und dann sagt seine Mutter auch noch diesen Satz: "Hör endlich auf, der Clown zu sein!" Das hätte ihn beinahe komplett aus der Bahn geworfen, er hat sein ganzes Leben hinterfragt. Doch er hat auch diese Kurve gekriegt und ist wieder auf die Spur gekommen.

© 2021 ZDF/Willi Weber

"Der Clown darf lustig – und traurig sein", sagt er schließlich im Film.
Er hat seine Fröhlichkeit wiedergefunden. Dass man an das Gute glaubt, hält einen auch am Leben. Zu dieser Erkenntnis ist er glücklicherweise gelangt.

Herr Stokowski, herzlichen Dank für das Gespräch.

 

Interview: Martin Brückle

 

"Horst Lichter – Keine Zeit für Arschlöcher" läuft am 09. Januar 2022 um 20:15 Uhr im ZDF und ab dem 01. Januar 2022, 10 Uhr, in der ZDF Mediathek

 

Aktuell

ICON DOCS: Neue Doku-Brand der Bavaria Fiction

Die im März 2022 gegründete Doku-Unit der Bavaria Fiction bekommt nun mit ICON DOCS eine eigene Marke. ICON DOCS produziert sowohl Filme als auch Serien für Kino, TV und Streamer.

"Kati - Eine Kür, die bleibt" im Weltvertrieb der Bavaria Media International

Die Bavaria Media übernimmt den Weltvertrieb für die ZDF Produktion "Kati Witt - Eine Kür, die bleibt".

Dreh der neuen Disney+ Original-Serie "Vienna Game" gestartet

Die Satel Film produziert für Disney+ mit "Vienna Game" eine hochkarätig besetzte, sechsteilige Serie rund um den Auftakt des Wiener Kongress von 1814. Seit dem 20. Februar laufen die Dreharbeiten in Österreich und Ungarn.

Highlight-Mandat "LEGE": Food-Ikone Sebastian Lege gibt Personal Brand exklusiv in die Hände von Bavaria Media

Mit Sebastian Lege sichert sich Bavaria Media Licensing (BML) ein neues Highlight-Mandat. Der Food-Experte erreicht format- und plattformübergreifend ein Millionenpublikum, unter anderem mit dem Format "ZDFbesseresser". Nun hat er für das Mandat seiner Personal Brand "LEGE" exklusiv bei BML unterschrieben.

"IaF – Die jungen Ärzte": Start der vierten Generation

Ab dem 29. Februar 2024 sind vier neue Gesichter am Johannes-Thal-Klinikum bei "In aller Freundschaft - Die jungen Ärzte" zu sehen.

"Die Rosenheim-Cops: Totholz" (AT): Drehbeginn für neues Winter-Special

Seit dem 14. Februar 2024 entsteht in Rosenheim, München und Umgebung sowie in den Bavaria Studios das 90-minütige Winter-Special "Totholz" der "Rosenheim-Cops". Der Sendetermin steht noch aus.
Mehr Interviews

"Mein mit Abstand einschneidendstes Projekt"

Schauspieler Franz Dinda spricht im Interview zur Staffel 3 von "Das Boot" über seine Rolle, die Relevanz der Antikriegsserie und das schönste Geräusch am Set.

"Für viele ist Wasser eine Sehnsucht"

Im Interview spricht "WaPo Bodensee"-Produzentin Kerstin Lipownik über die Herausforderungen des Drehs auf dem Nass. 

"Wir alle sind Hochstapler" - Detlev Buck und Jannis Niewöhner im Interview

Regisseur Detlev Buck und Hauptdarsteller Jannis Niewöhner sprechen mit "Bavaria Film – Das Magazin" über ihren neuen Kinofilm "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull".

"Schloss Einstein"-Produzentin Yvonne Abele im Interview: "Jede gute Erzählung braucht einen Schuss Anarchie."

Die Produzentin spricht über ihre Inspiration für Geschichten, das erstmals rein digitale Casting und darüber, welche kontroversen Charaktere ans Internat zurückkehren.

Förderpreis Neues Deutsches Kino: Moderatorin Sandra Rieß im Interview

Am Freitagabend wird der Förderpreis Neues Deutsches Kino vergeben. Im Interview spricht Sandra Rieß darüber, was den Preis für sie besonders macht.

Uwe Ochsenknecht im Interview: "Eine Frage des Respekts"

"Die Drei von der Müllabfuhr"-Hauptdarsteller Uwe Ochsenknecht erklärt im Interview, was seine Rolle so anarchisch macht, wo die Grenze zwischen Kunst und Krempel verläuft und warum meckernde Passanten ein Kompliment für den Schauspieler sind.
Mehr zu Bavaria Fiction

ICON DOCS: Neue Doku-Brand der Bavaria Fiction

Die im März 2022 gegründete Doku-Unit der Bavaria Fiction bekommt nun mit ICON DOCS eine eigene Marke. ICON DOCS produziert sowohl Filme als auch Serien für Kino, TV und Streamer.

"Die Rosenheim-Cops: Totholz" (AT): Drehbeginn für neues Winter-Special

Seit dem 14. Februar 2024 entsteht in Rosenheim, München und Umgebung sowie in den Bavaria Studios das 90-minütige Winter-Special "Totholz" der "Rosenheim-Cops". Der Sendetermin steht noch aus.

"Ultraorthodox: Der Kampf des Rabbi Akiva": Bavaria Fiction dreht Doku über Aussteiger

Bavaria Fiction arbeitet derzeit an einer 60-minütigen Dokumentation für 3sat über Akiva Weingarten und beleuchtet dessen Weg von einer ultraorthodoxen Gemeinschaft in New York zu einem selbstbestimmten Leben als liberaler Rabbiner in Deutschland.

Grimme-Preis-Nominierung für "Was wir fürchten"

Die Young-Adult-Horror-Serie von Bavaria Fiction ist in der Kategorie "Jugend" nominiert. Die Preisträgerinnen und Preisträger werden am 14. März bekannt gegeben.

Erfolgreicher Start für den "Sturm der Liebe"-Podcast

Nach wenigen Tagen "on air" belegt der Podcast mit Lena und Johannes bereits Platz 1 in der TV-Kategorie der deutschen Spotify-Charts.

Bavaria Fiction bündelt mit Thomas Kren den Development-Bereich

Unter der Leitung von Development Executive Thomas Kren strukturiert sich der Development-Bereich innerhalb der Bavaria Fiction zum Jahresanfang um und bündelt künftig seine internen Kompetenzen stärker.